Mein (kleines) Patenkind

Das ist sie, die kleine Marie

Sie ist ca. 13 Monate alt, macht ihre ersten selbstständigen Schritte und sagt "Mama", "Baba", "Dida" zu allem, was sich irgendwie bewegt, oder auch einfach nur so. Trotzdem ist sie schon Meisterin des Charmes. Innerhalb weniger Minuten überzeugt sie ihre Umwelt, dass es unendlich schön ist, sich für ihr Wohlbefinden anzustrengen. Klappt besonders gut bei ihrem Patenonkel. Aber es gibt andere, die noch eher ansprechen...


Hier ist sie in ihrem Reich: der Eckbank. Sie wandert am Tisch entlang zu allen erreichbaren Personen und schaut, ob man etwas zu essen bekommt oder auch etwas erhaschen kann, was ein kleines Mädchen eigentlich nicht erhaschen soll: Messer, Gabel, Brille, Schlüssel, Tasse, Glas, Flasche und was sonst auf dem Tisch liegen kann.


Das ist ein weiterer Lieblingsplatz: der Boden. Dort findet man viele Dinge zum Kennenlernen. Kennenlernen bedeutet in erster Linie Ertasten und Erschmecken. Interessante Objekte sind Steine, Erde, Blumen, Blätter, Schnecken -- um nur einige aufzuzählen, die man mit zunehmendem Alter nicht mehr in dieser Weise schätzt.


Hier sind Marie und ihr Patenonkel beim Essen.

Essen, das machen beide für ihr Leben gern. Sie sind dann voll bei der Sache.

Marie möchte normalerweise dem Vorbild der Erwachsenen folgen -- und mit Messer und Gabel essen. Irgendwie wollen die das aber nicht verstehen. Sobald Marie sich nähert, werden diese wichtigen Ess-Utensilien möglichst außer Reichweite gebracht. Aber manchmal ist Marie schneller, das macht viel Spaß... Nun, meistens muss sie sich mit einem Löffel begnügen.

Seltsam, dass diese Löffel meistens vor Erreichen des Mundes auslaufen, manchmal auch schon direkt über dem Teller. Aber das wird wohl noch werden.

Wenn Marie etwas frustriert ist, weil der Löffel schon wieder leer an ihrem Mund ankommt, kann sie plötzlich ganz spontan zu mittelalterlichen Essgewohnheiten zurückkehren (sollte das mit einen früheren Leben zusammenhängen?): sie greift das Essen spontan mit den Händen und führt es blitzschnell in den Mund. Sie weiß, sie muss sich beeilen, weil die Erwachsenen sonst aufschreien und sie an dieser wirkungsvollen Essform hindern wollen. Man kann sie nicht immer verstehen, diese Erwachsenen. Im Anschluss sind die Erwachsenen dann bemüht, Maries Hände abzuwischen. Ziemlich unsinnig, weil wenige Minuten später der nächste Griff in den Teller den vorherigen Zustand wiederherstellt. Sie sind manchmal nicht sehr klug, die Erwachsenen.

Normalerweise lässt Marie ihren Patenonkel nicht verhungern. Gelegentlich wandert sie zu ihrem Vater und holt sich bei ihm ihren Tribut ab. Oder sie schaut zu ihrer Mama, zeigt mit dem Finger auf Irgendwas und sagt "Da!". Für die Mama ist dann klar, was die Kleine haben möchte. (Marie sagt übrigens sehr häufig "Da!", nachdem sie mit dem Finger auf was gezeigt hat...) Diese Ausflüge geben dem Patenonkel die Möglichkeit schnell etwas zu essen. Wenn es aber was Besonderes gibt, z.B. Schnecken, dann weicht Marie nicht von seiner Seite. Im Patenonkel kann dann durchaus langsam die Angst vor dem Hungertod aufsteigen...


Bleiben wir beim Essen. Hier ist Marie in einem Restaurant. Sie fühlt sich wohl dort. Zwar kann man nicht so nah an das Essen heran wie zu Hause, aber die Erwachsenen verstehen die Fingerzeige und "Da!"-Rufe schon ziemlich gut. So wandern die besten Stücke zur kleinen Marie.


Essen im Restaurant hat den Vorteil, dass man danach neue Umgebung erkunden kann. Besonders anziehend sind Kinder, oder auch Hunde. Allerdings nur, wenn sie nicht zu nahe kommen. So vier/fünf Meter sind nahe genug, wenn nicht ein vertrauter Erwachsener in der Nähe ist, hinter dessen Beinen oder Rücken man sich im Bedarfsfall verstecken kann. Tieren nähert man sich ohnehin am besten, wenn man im Arm eines Erwachsenen festgeklemmt ist. Die Erwachsenen sind so dressiert, dass sie Bewegungen der kleinen Marie instinktiv verstärken. Wenn Marie sich also ein wenig nach oben reckt, um den Abstand zu dem Hund, der Katze oder dem Kalb zu vergrößern, dann geht der Erwachsene sofort in dieser Bewegung mit und das Tier hat keine Chance mehr, Marie zu erreichen. Manchmal sind Erwachsene gut zu gebrauchen, echt!


Noch bevorzugt Marie das Laufen an der Hand. Aber sie beginnt langsam, sich von den Erwachsenen unabhängiger zu machen (was das Laufen angeht). Bäume, Autos, Wände, Stühle, alles einigermaßen Feste sind gute Stützen für das selbstständige Gehen.

Bis vor Kurzem hatte Marie eine große Abneigung gegen Krabbeln: Menschen sind für den aufrechten Gang bestimmt, alles andere ist unter ihrer Würde! Jüngst hat sie gelernt, dass diese Bewegung auf allen Vieren sie manchmal interessante Dinge erreichen lässt, die sonst unerreichbar geblieben wären. Sie wird wohl ein pragmatischer Mensch werden... Sie beginnt die Vorbehalte gegen Krabbeln aufzugeben.

Schließlich werden auch die Strecken, die sie frei geht, immer größer. Nach ein paar Schritten freut sie sich oft so intensiv, dass sie in die Hände klatscht und sich erwartungsvoll nach brausendem Applaus umschaut. Die wohl-erzogenen Erwachsenen enttäuschen sie nur selten...

Ein weiterer Fortbewegungstyp macht den Erwachsenen große Angst: Marie klettert sehr gerne.
Besondere Anziehungskraft üben Fenster aus: von dort kommen Geräuche von spielenden Kindern und Tieren. Wie wir schon sagten, wird Marie davon magisch angezogen (so bis auf 4/5 Meter Abstand). Es ist zu hoffen, dass beim Erreichen des Fensters dies immer entweder geschlossen oder ein kräftiger Erwachsener in der Nähe ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Dingen hat Marie nämlich keinerlei Angst vor Höhe. Wenn sie das Fenster erreicht, hat man den Eindruck, dass nur große Kräfte sie von einem freien Flug zu den Kindern/Tieren abhalten können.
Auch Treppen sieht sie als Herausforderung an, je steiler desto besser. Wenn man längere Zeit nichts von ihr hört, sollte man unbedingt nach ihr sehen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit klebt sie an der hühnerleiter-ähnlichen Treppe ins Dachgeschoss. Manchmal wird man auch von einem dumpfen Knall gefolgt von intensivem Weinen aufgeschreckt: ein missglückter Kletterversuch auf der Steintreppe ins Obergeschoss. Die Welt birgt schon einige Gefahren für kleine aktive Kinder.


Maries Patenonkel mag Wasser und spielt gerne damit. Weil er eigentlich schon etwas alt dafür ist, freut er sich, wenn sein kleines Patenkind Wasser mag und gerne damit spielt. Das ist ein guter Vorwand für den Patenonkel...

Marie war zunächst extrem vorsichtig mit dem Wasser. Es wurde nur mit den Fingerspitzen berührt. Nachdem sie schließlich überzeugt war, dass Wasser nicht beißt (oder sonstwie unangenehm reagiert), ist sie dazu übergegangen, Wasser in der kleinen Hand zu schöpfen und dem Patenonkel zu übergeben. Die nächste Erkenntnis war dann, dass man Wasser in der Hand auch zum Mund führen und die Hand dann ablecken kann. Das war eine ganz tolle Entdeckung, die Marie gleich mehr als eine halbe Stunde einüben musste. Der Respekt vor dem Wasser wich weiter, Marie begann das Wasser zu schlagen. Das hat toll gespritzt und riesig Spaß gemacht. Auf dem Bild ist Marie bereits ganz nass und ruht sich ein wenig aus.


Maries Familie

Marie, Papa Marcel, Bruder Jean und Mutter Gaby


Der kleine Bruder

Jean heißt er und ist wenige Tage alt. Anfangs hat Marie ihn berührt, wie sie eine Katze oder Hund berührt: unendlich vorsichtig, ganz zart mit einer Fingerspitze, danach sofort hinter dem Rücken des Erwachsenen versteckt, auf dessen Arm sie war. Inzwischen, einen Monat später, hat sie ihren Respekt etwas abgelegt. Der kleine Bruder wird jetzt manchmal zärtlich gestreichelt, aber manchmal auch als Stütze oder Halterung missbraucht. Das wird sich weiter entwickeln...


Fotos: 14.-30. Mai 2001
Dieter Maurer
Last modified: Fri Dec 28 21:27:20 CET 2001