Mein (kleines) Patenkind (Mai 2002)

Marie -- 25 Monate

Wirkt sie nicht schon fast wie eine junge Frau? Ich verbinde damit eine hohe Variablilität im Aussehen. Wannimmer man sie sieht, sehen sie anders aus, abhängig von der Sonneneinstrahlung, der Tageszeit, der aktuellen Stimmung, dem Wetter, den Aktivitäten des Vortags... Die Variabilität scheint um so ausgeprägter, je jünger sie sind. Ich bin echt beeindruckt von Maries zahlreichen Gesichtern.

Hier schaut Marie besonders lieb. Fast könnte man meinen, sie hätte einen besonderen Wunsch. Allerdings macht Marie dann kein liebes sondern eher ein forderndes, entschlossenes, ungeduldiges Gesicht. Nein, Marie macht ein liebes Gesicht, weil sie fotografiert wird. Das schätzt sie nämlich sehr. Außerdem ist wunderschönes Wetter und man wird in Kürze zu einem Ausflug aufbrechen.



Sprechen

Natürlich beschäftigt sich Marie viel mit dem Sprechen. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es dabei einige Besonderheiten (wie ich erfahren habe, verbreitet bei Kindern ihres Alters).

Non!!!

Non!!!, das ist Maries Lieblingswort. Mehr als die Hälfte aller Fragen werden mit einem Non!!! beantwortet. Fast hat man den Eindruck, dass dieses Wort unbedingt zu einer Antwort dazugehört.

Ich habe gehört, man müsse ein Nein einer Frau nicht unbedingt immer ernstnehmen. Nun, zumindest bei Marie gilt das bisher noch. Wenn man sie etwa fragt Marie, bist Du müde?, kann man fast sicher auf ein Non!!! rechnen, auch wenn sie sich intensiv die Augen reibt, sich offensichtlich nicht mehr wohl fühlt und die Augen nur noch mit Mühe offenhält. Normalerweise kann man sie dann aber trotz dieses Neins ins Bett bringen. Dort rollt sie sich zusammen und ist wenige Minuten später eingeschlafen. Auch wenn ein verdächtiger Geruch die Frage Marie, hast Du Kaka gemacht? aufdrängt, ist ein Non!!! unvermeidlich. Das darf man nicht ernstnehmen. Marie hatte immer Kaka gemacht, außer einmal: da war Mamas Käse für den Geruch verantwortlich.

Nachdem ich schon viele Non!!! aber noch nie ein oui gehört hatte, fragte ich mal Marie, kannst Du auch «oui» sagen?. Ihr werdet es nicht glauben! Die Antwort war ouiouiouiouiouiouiouiouioui...! All die früher so vermissten oui als Antwort auf diese einzige Frage zusammengefasst... Es waren so viele oui, dass ich nicht erwarten konnte, später noch welche zu hören.

Es liegt also nicht daran, dass Marie oui nicht kennt. Vielleicht verwechselt sie oui und non? Aber nein: Sie sagt oft Non!!!, wo es keinerlei Zweifel an der üblichen Verwendung des Wortes gibt.

Die nächste Erklärung könnte folgendermaßen aussehen: Maries häufiges Non!!! ist ein Spiegel ihrer Erfahrung. Natürlich benutzen Erwachsene das Wort non nicht so oft wie Marie, aber das liegt überwiegend daran, dass sie Sprache viel weniger effizient einsetzen. Wo Marie einfach Non!!! sagt, haben Erwachsene viele Umschreibungen: Nicht ins Wasser! Du hast keine Stiefel an, Du kannst heute nicht an diesem Wasser spielen! Es ist zu kalt, Komm, da ist es gefährlich!, Komm! Wir gehen ein anderes mal dahin, Das gehört Deinem Bruder, Sei ein wenig vorsichtiger!, Marie!!!.... Alles Ausdrucksweisen für Nein; aus Maries Sicht wohl viel häufiger als ihr Non!!!.

Außerdem scheint sie oui für überflüssig zu halten. Wenn man etwa fragt Marie, willst Du eine Erdbeere?, wird sie nicht oui sagen sondern stattdessen die Hand ausstrecken. Es gibt keinen Grund, unnötige Worte zu verwenden... Normalerweise hilft Marie auch den Erwachsenen effizienter mit Sprache umzugehen. Wenn sie sieht, dass Erdbeeren auf dem Tisch stehen, wartet sie nicht auf obige Frage sondern kommt und streckt die Hand aus...

Spracheffizienz

Maries Wortschatz ist noch recht klein und natürlich ist das Grammatikverständnis noch nicht ausgeprägt. Da muss man effizient mit den eigenen Möglichkeiten umgehen. Ziel: die eigenen Wünsche/Bedürfnisse/Beobachtungen in einem einzigen Wort prägnant zusammenzufassen. Einige Ergebnisse:

Non!!!ein allgemeines Nicht-Wollen (normalerweise)
Mami!Marie nennt sich selbst Mami. Mami! bedeutet etwa gibt mir das bitte (wenn sie etwas haben möchte) oder das gehört mir (wenn der kleine Bruder mit ihren Spielsachen spielt).
uhnGehen wir zu den Hühnern!
GagaDa ist ein Huhn
olderWenn Marie das sagt, steht sie normalerweise vor dem Patenonkel mit dem Rücken zu ihm und streckt die Arme seitlich weg, so dass er nicht an ihr vorbeigehen kann. Es bedeutet ich möchte gerne auf die Schultern. Der Wunsch, getragen zu werden, kommt ganz ohne Worte aus: Marie steht dann vor dem Erwachsenen mit dem Gesicht zu ihm und umfasst seine Beine.
MuhDas kann zweierlei heißen: Gehen wir zu den Kühen! oder Dort ist eine Kuh/sind Kühe. Hier beginnt sich Maries Spracheffizienz übrigens langsam aufzuweichen. Je nach Stimmung und Kontext wird Muh auch schon durch die moderneren Worte Vache oder Kuh ersetzt. Also nicht mehr ein einzelnes Wort für viele verschiedene Bedeutungen sondern viele verschiedene Worte für dieselbe Bedeutung.

Marie ist noch in einer weiteren Art effizient. Ihre Worte sind fast immer verkürzt. Normalerweise fehlt die Endung, oft auch der Anfang des Wortes. So steht Kin für Kinder, Blum für Blumen und fel für Apfel. Das macht es nicht immer ganz einfach, Marie zu verstehen. Einmal sind wir an einer Wiese mit Pferden vorbeigefahren, Marie sagte fer, was wir als Da ist ein Pferd! interpretiert haben. War aber nicht ganz richtig: Marie hatte einen Apfel im Auto entdeckt und ein Hungergefühl verspürt. Unser Missverständnis fiel auf, nachdem Marie immer und immer wieder fer mit zunehmender Eindringlichkeit wiederholte, obwohl wir schon sehr lange an den Pferden vorbei waren.

Marie ist nicht immer auf Spracheffizienz bedacht. Es gibt einige Ausnahmen. Sie singt gerne. Da kann es vorkommen, dass für eine halbe Stunde und mehr Worte nur so aus ihrem Mund herausquillen. Die Mama kann einige Wortfetzen verstehen, wie etwa bonjour, bonjour, bonjour petit, faire dodo, faire dodo. Für den Patenonkel klingt es zwar melodisch, aber er versteht kein Wort. Die zweite Ausnahme sind melodische kurze Sätze. Marie ist etwa begeistert von Wir koooooooooommmmmennn!. Der Patenonkel hat diesen Kurzsatz geschaffen. Maries Bruder war eben wachgeworden und hatte durch Weinen seine Einsamkeit ausgedrückt. Der melodische, lang gezogene, wiederholte Satz sollte den Jungen auf die Entfernung beruhigen, bis der Onkel seine laufende Aktivität abgeschlossen hatte. Es war ein voller Erfolg bei Marie. In der Folge hat sie das Wir kooooooommmenn! immer wieder wiederholt, speziell, wenn sie ihren Bruder weinen hörte.

Verständnisschwierigkeiten beim Patenonkel

Es war für den Patenonkel nicht ganz einfach, Marie zu verstehen. Da waren zum einen wichtige Worte, die er noch nie gehört hatte: dodo (bei uns wohl Heia (schlafen)), bobo (Aua (Weh)), a coup! (kann ich bitte was zu trinken bekommen). Dann waren da abgewandelte Worte, etwa lepin. Es hat lange gedauert, bis der Patenonkel verstanden hat, dass lepin eigentlich lapin heißen sollte, wofür Marie auch manchmal asen benutzte. Andere Worte waren so verkürzt, dass sie nur im Kontext verständlich waren, etwa older (Schultern) und erber (Erdbeeren). Trotzdem hatte er überwiegend das Gefühl, sich gut mit seinem Patenkind zu verstehen.



Maries Gesichter

Ich versuche hier zu belegen, dass Marie zahlreiche Gesichter hat. Die Gallerie ist keineswegs vollständig...


Lieb

Fröhlich
Erwartungsvoll Noch nicht ganz wach
ich weiß nicht genau... Stolz
Verträumt essend Begeistert essend


Hobbies

Marie ist ziemlich vielseitig und an vielen Dingen interessiert.

Kinder

Marie ist begeistert von Kindern. Sie ziehen sie magisch an und sie kann stundenlang mit ihnen spielen. Leider sind die Kinder auf dem Bauernhof alle viel älter als sie und normalerweise in der Schule. Außerdem sind Anthroposophen Individualisten und entsprechend ihre Familien nicht sehr beständig. Viele der Kinder leben außerhalb des Hofes bei einem anderen Elernteil. So kommt Marie vorwiegend in der Ferienzeit mit Kindern in Kontakt.


Tiere


Hier ist Marie bei den Hühnern. Auf dem Bauernhof gibt es an drei Stellen Hühner. Wenn das Wetter nicht zu schlecht ist, oder außergewöhnliche Unternehmungen warten, dann muss Marie jeden Tag mindestens zwei dieser Stellen besuchen. Zunächst konnte Marie sich an beiden Stellen bis jeweils ca. 1 Stunde aufhalten. Dann gesellte sich an der einen Stelle ein aggressiver Ganter zu Gänsen und Hühnern. Er sollte Eierdiebe abhalten. Wir wissen nicht, ob er dieser Aufgabe gewachsen war, aber zumindest konnte er Marie Angst machen. Sie ging trotzdem täglich hin, aber hielt deutlichen Abstand zu dem Gehege und war nach ca. 10 Minuten bereit wieder weiterzugehen.

Noch häufiger besucht Marie die Hasen. Sie kann dort schon allein hingehen. Normalerweise bringt sie den Hasen frisch gerupften Löwenzahn und füttert sie damit. Es fällt ihr auch sofort auf, wenn die Hasen nichts mehr zu trinken haben. Wir müssen ihnen dann natürlich was geben.

Seltener besucht Marie die Muhs und die Mähs. Die Muhs sind im Stall. Marie fühlt sich dort nur auf dem Arm eines Erwachsenen wohl. Denn dort steht der starke Bulle, der manchmal unmotiviert rumbrüllt. Auch die großen Muttersäue erwecken in Marie kein Vertrauen sondern deutliche Furcht. Im Stall ist der dritte Lebensraum für Hühner. Und weil es dort viele Versteckmöglichkeiten für Eier gibt, kann man auch gelegentlich Hühnerkinder bewundern. Das macht Marie natürlich sehr gern. Ihr Verhältnis zu den kleinen Ferkeln und Kälbern ist demgegenüber gemischt. Die Ferkel sausen manchmal wild quiekend durch den Stall, was Marie etwas verunsichert. Die Kälber würde Marie streicheln, wenn die denn ruhig halten würden. Aber, dumme Tiere, wenn Marie ihre Hand nähert, schauen die Kälber auf und sofort zieht Marie sich wieder in sichere Distanz zurück. Schließlich leben im Stall noch verschiedene Enten und Herr und Frau Pfau. Vor ihnen hat Marie keine Angst. Speziell Herr Pfau gefällt Marie sehr. Wir müssen ihn immer suchen (er läuft frei im Stallbereich herum), wenn wir in die Nähe des Stalls kommen. Die Mähs sind auf der Weide. Sie sind eigentlich nur interessant, wenn Marie sie zufällig sieht oder hört. Der Besuch der Mähs ist kein fester Bestandteil des regelmäßigen Besuchsprogramms.

Natürlich gibt es auf dem Hof auch Katzen. Marie hat jetzt keine Angst mehr vor ihnen und kann sie streicheln. Allerdings gelingt es seltener als sie möchte. Meist geht sie ziemlich forsch auf die Katze zu, was diese meist zur Verlagerung ihres Aufenthaltsortes veranlasst. Mama hat Marie deshalb gezeigt, dass man Katzen rufen muss, wenn man sie streicheln will. Marie versucht das auch. Wenn die Katze bei der ersten Annäherung Reißaus genommen hat, läuft Marie hinter ihr her und ruft komm! komm!, aber es gelingt noch nicht richtig.

Das Verhältnis zu Hunden ist noch deutlich vorsichtiger. Marie freut sich über jeden Wauwau, den sie sieht, aber die optimale Entfernung zu so einem Vierbeiner liegt so zwischen 3 und 5 Meter. Wir haben einige Hunde gestreichelt, aber Marie fühlt sich noch sichtlich unwohl dabei.


Blumen


Vor einem Jahr hat Marie Blumen im Wesentlichen durch Essen kennengelernt und geschätzt. Wenn sie an Blumen (oder Bäumen oder Gräsern) vorbeikam, hat sie ein Blatt oder eine Blüte abgerissen und durchgekaut. Meist hat sie den Kopf weggedreht, wenn man ihr eine Blume unter die Nase gehalten hat. Das hat sich gründlich geändert. Marie isst keine Blumen mehr. Dafür huscht sie von Blume zu Blume und schnuppert an ihnen. Natürlich können dadurch Spaziergänge etwas in die Länge gezogen werden.

Wasser

Es ist dem Patenonkel gelungen! Marie mag Wasser ebenso wie er!

Auf diesem Bild spielt Marie an einer Wassertonne, die das Regenwasser vom Dach aufnimmt. Sie steht übrigens auf einem Felspodest in etwa 1 Meter Höhe. Es hat nur wenige Minuten gedauert, bis Marie ganz nass war. Zum Glück war es ein heißer Tag und die Sonne hat die feuchte Kleidung schnell wieder getrocknet. An den folgenden deutlich kühleren Tagen konnte Maries Wunsch nach dem Besuch der Wassertonne leider nicht erfüllt werden.

Der Hof ist sehr wasserreich. Es gibt gut 10 Stellen, wo man am Wasser spielen kann. Zu den meist-frequentierten Plätzen gehört die frühere Viehtränke, eine gefasste Quelle. Seit wir dort einen Frosch gefunden haben, der sich fangen und detailliert betrachten ließ, war der Besuch dieser Tränke ein fester Bestandteil des täglichen Rundgangs. Nachdem wir den Frosch aus der Viehtränke befreit hatten, haben wir ihn zwar nie wieder gesehen, aber Marie hat das Spielen an der Tränke trotzdem gut gefallen. Ganz in der Nähe ist ein Becken mit Molchlarven. Es hat Marie sehr gut gefallen, wenn die Larven dem Patenonkel beim Fangversuch entwischt sind. Aber einige Male war er auch erfolgreich, und Marie kommte die Larven auf der Nähe beobachten. Beim ersten Mal war sie noch sehr unsicher und hat sofort mit einem da! auf das Becken gezeigt und interessiert geschaut, wie die Larve das Weite (genauer die Tiefe des völlig klaren und kalten Wassers) gesucht hat. Später hat sie dann interessiert zugeschaut, wie die kleinen Tiere mit der neuen Umgebung auf der Hand des Patenonkels zurechtkamen. Einige waren müde und haben sich einfach in ihr Schicksal gefügt. Andere haben intensiv (aber natürlich vergeblich) versucht, der Hand zu entfliehen. Natürlich durften alle Larven schließlich wieder in ihren gewohnten Lebensraum. War ganz interessant für die kleine Marie.

Ein weiteres Standardziel auf den täglichen Hof-Rundgängen ist das Fischbecken, von Marie Fisch genannt. Maries Papa hat das Becken eingezäunt, damit keine Kinder reinfallen. Natürlich gibt es einen Eingang und natürlich zieht dieser Eingang Marie besonders an, weil man dann den Fischen besonders nah sein kann. Aber hier heißt es immer zu gefährlich.

Das Quellewasser fließt als kleiner Bach ins Tal und dort gibt es einige Stellen, an denen Marie prima im Wasser spielen kann. Unter anderem gibt es einen kleinen Wasserfall (ca. 1,5 Meter), wo Marie gerne Steine runterwirft.

Die Mama sieht Maries Begeisterung für das Spielen am Wasser mit etwas Besorgnis. Einige der Stellen sind gefährlich. Vor einigen Jahren ist ein kleines Mädchen in das Garten-Wasserreservoir gefallen. Es wäre wohl ertrunken, wenn der größere Bruder es nicht (wie es heißt an den Haaren) wieder herausgezogen hätte. Hoffen wir, dass Maries angeborene Vorsicht ihr ähnliche Katastrofen erspart...


Man kann auch zu Hause im Wasser spielen. Und dagegen hat nicht einmal die Mama was einzuwenden. Im Gegenteil, das muss zweimal die Woche geschehen. Nur schade, dass die Zeiten viel kürzer sind, als beim Spielen draußen...

Spazieren gehen

Marie geht auch sehr gerne spazieren. Auf diesem Bild machen Marie und der Patenonkel einen großen Spaziergang, ca. 3 Stunden, während Mama mit dem kleinen Bruder zum Arzt geht. Ich glaube, wir haben fast alles an Tieren gesehen, was man sehen kann: Hühner (uhn), Käfer (Käf), Fliegen (Muck), Ameisen (Meis), Kühe (Muh), Hunde (Wauwau), Katzen (Miau), Pferde (Fer), Schafe (Mäh) und alle Tiere im Stall.

Natürlich kann man nicht die ganze Zeit gehen. Gelegentlich muss man eine Pause (repos) machen. Dazu sucht man sich eine Mauer; die gibt es in der Gegend an fast jeder Ecke. Da setzt man sich drauf und isst mitgebrachte Kekse und trinkt Tee. Danach betätigt sich Marie gerne als Umweltzerstörerin. Sie liebt es mit Steinen zu spielen. Und Mauern sind erstklassige Steinelieferanten. Jeder einzelne Stein ist eine Herausforderung. Ob es Marie gelingt, ihn aus seiner Verankerung zu lösen? Wenn es gelingt, kann man den Stein entweder wegwerfen oder an anderer Stelle wieder aufsetzen. Es war gar nicht einfach, Marie davon zu überzeugen, dass zu Mauern aufgesetzte Steine nicht ausgegraben werden dürfen. Trotzdem war der Spaziergang für sie wohl eine angenehme Erfahrung. Von diesem Zeitpunkt an waren Mauer und repos assoziiert. Wann immer wir eine Mauer sahen, hat Marie sie angesteuert und repos gesagt.

Natürlich kann Marie trotz Pausen noch keine 3 Stunden laufen. Einen Großteil der Strecke hat sie auf den Schultern des Patenonkels zurückgelegt. Sieht ungefähr aus wie auf diesem Bild. Dort oben hat man einen tollen Rundblick, sieht alle Käfer, Fliegen und Schmetterlinge, kann Blätter von Bäumen abreißen und auf Essbarkeit prüfen, Hollunderblüten ernten und zerpflücken und ist hinreichend weit von Hunden oder anderen potentiell gefährlichen Tieren entfernt, denen man begegnen könnte. Ein optimaler Platz...


Ausflüge


Marie macht sehr gerne Ausflüge, vor allem mit dem Auto. Hier besuchen wir einen Tierpark. Es gab Tiere, die Marie begeistert haben, vor allem die Tiger (Miau), und andere, die Marie große Angst gemacht haben. Am schlimmsten war das Nilpferd. Eigentlich sah man von den Nilpferden nur die Nasenlöcher und die Augen. Alles andere war im Wasser versteckt. Und zunächst hatte Marie auch keine Angst. Aber gerade, als wir an dem Gehege standen, musste eines der beiden Nilpferde schnauben; das Wasser ist bis zu uns gespritzt. Marie war in höchstem Maße beunruhigt. Wir mussten sofort weitergehen. Selbst als wir eine halbe Stunde später nochmal an dem Gehege vorbei mussten, hat Marie entsetzt Non!!!!! gerufen und sich weit in die andere Richtung gelehnt. Aber er führte leider kein Weg an den Nilpferden vorbei. Und es war auch schnell überstanden...

Steine und Pfützen

Marie liebt Steine und Pfützen. Wann immer man irgendwo hinkommt, wo lose Steine rumliegen, werden sie von Marie gesammelt. Danach werden sie meistens einem Erwachsenen übergeben. Ein besonderer Reiz geht auch von nicht ganz losen Steinen aus. Sie fordern Marie heraus, ihre Geschicklichkeit auszuprobieren. Werde ich diesen Stein nicht vielleicht doch lösen können. Damit stellt Marie eine beträchtliche Gefahr für die zahlreichen Mauern der Gegend dar.

Ähnlich anziehend wirken Pfützen. Mama bemüht sich intensiv um das Verständnis, dass Pfützen nur in Stiefeln als Spielplatz akzeptabel sind. Es klappt schon so in etwa 90 Prozent der Fälle. Aber von Zeit zu Zeit vergisst Marie diese Einschränkung und tritt mit normalen Schuhen oder gar Hausschuhen in schöne schlammige Pfützen. Natürlich schimpft Mama danach mit der kleinen Marie...


Klettern


Marie klettert für ihr Leben gerne. Allerdings ist das obige Bild mit Marie auf einem ca. 2 Meter hohen Holzstoß gestellt. Sie ist nicht selbst hochgeklettert, sondern wurde von ihrem Patenonkel dort abgesetzt, damit sie die Katze der Nachbarin streicheln konnte. Sie hat sich aber nicht unwohl gefühlt und nach dem Streicheln der Katze die Umgebung erkundet.

In diesem Zusammenhang eine kleine Anekdote. Der Weg zu den Schafen führt über zwei in eine Stützmauer eingelassene Stufen. Der Weg ist so gefährlich, dass für Maries Mama extra ein Geländer angebracht worden war. Marie kann das Geländer nicht erreichen und die Stufen sind für sie zu weit auseinander. Als wir zum ersten Mal diesen Weg nahmen, wollte ich Marie runterheben. Antwort: Non!!!. Ich war verwundert. Marie wollte offenbar zu den Schafen, aber ich war überzeugt, dass sie ohne meine Hilfe keine Chance hätte. Also versuchte ich es nochmal: Komm, Du kannst runterfliegen. Aber nein, die Antwort war wieder Non!!! und die kleine Marie wisch ein wenig vor mir zurück, dass ich sie nicht etwa einfach fangen könnte. Nachdem sie sich überzeugt hatte, dass ich keinen derartigen Versuch machen würde, begann sie mit dem Abstieg. Sie nutzte geschickt vorstehende Steine in der Stützmauer aus, um sich festzuhalten und zwischen den Stufen Halt für die Füße zu finden. Nach etwa 10 Minuten war das Hindernis kletternd überwunden und ich war stark beeindruckt. Leider hatte ich keinen Fotoapparat dabei.


Tanzen

Die Begeisterung für Tanz und Musik hat Marie von ihrer Mama. Für diese ist Tanzen ein Muss ähnlich wie Schlafen. Auch Marie macht das Tanzen viel Spaß. Allerdings habe ich den Eindruck, dass es seit meinem letzten Besuch etwas nachgelassen hat. Ich vermute, dass die Mama nicht genügent Zeit hat, mit Marie zusammen zu tanzen. 2 kleine Kinder, Arbeiten und zusätzlich ein Haus Renovieren sind wohl doch recht viel für eine Familie. Da bleibt die eine oder andere Nicht-Muss Aktivität auf der Strecke. Gut, wenn ab und zu der unverbrauchte Patenonkel vorbeikommt, und einige Fäden für kurze Zeit wieder aufnehmen kann.


Bücher

Marie schaut begeistert Bücher. Sie macht das so gern, dass man sie damit sogar ins Bett locken kann: Komm, wir gehen ins Bett. Du kannst dort noch ein Buch kucken. Es ist dabei fast unwichtig, um welchen Buchtyp es sich handelt. Kataloge und Werbebroschüren sind ebenso gut geeignet wie Kinderbücher. Selbst die völlig bilderlosen Krimis, die der Patenonkel als Französisch-Training liest, scheinen interessant für Marie.


Spielen

Natürlich spielt Marie auch gerne. Im Sommer, bei nicht zu schlechtem Wetter, vorwiegend draußen. Dort gibt es ein Rutscheauto, ein Schaukelpferd und einen Sandkasten, ferner viele Stöcke, die Marie von zahlreichen Spaziergängen mitgebracht hat, und natürlich viele Steine zum Sammeln und wieder verstreuen. Wichtigster Spielpartner ist der kleine Bruder. Wir werden im nächsten Abschnitt noch einige Bilder sehen.

Am neuen Haus gibt es ein Kinderhaus, in dem Marie auf diesem Foto spielt. Ich glaube, es wurde vom Nachbarn gebaut. Er ist Künstler und arbeitet gerne mit Holz. Normalerweise macht er daraus Teller, Pokale, Trinkgeschirre, Schüsseln, Platten, ... Seine Stücke sind sehr schön und ungewöhnlich leicht aber für einen geizigen Menschen wie Maries Patenonkel deutlich zu teuer. Das Kinderhaus ist natürlich auch aus Holz. Er hat es wohl für seine Kinder gebaut, die normalerweise bei Ihrer Mama in der Schweiz leben und gelegentlich zu Besuch kommen.



Der kleine Bruder

Er hat es nicht ganz leicht, der kleine Bursche. Zum Unglück für ihn kam er als zweiter auf die Welt, mit nur geringem Abstand zu Marie. Was bei Marie ganz herausragende Ereignisse waren, wie die ersten Schritte, das erste Krabbeln, das zunehmende Interesse für immer weitere Teile der Umwelt, und intensiv unterstützt und gefördert wurde, ist bei ihm eher eine Selbstverständlichkeit, um die wenig Aufhebens gemacht wird. Insbesondere bei Maries Patenonkel ist das auffällig. Wenn Marie vor einem Jahr Hilfe brauchte, um etwa von Punkt A nach Punkt B zu kommen, hat er stets bereitwillig geholfen. Jean sagt er demgegenüber heute Hey, schrei nicht sondern streng Dich an. Du kannst das!. Oder er sagt, dass Jungs hart werden müssen und nicht zu sehr verwöhnt werden dürfen.

Der kleine Jean kämpft mit aller Macht gegen diese Vernachlässigung an. Und er hat eine beeindruckende Stimme als Waffe. Wenn man ihn warten lässt oder ihn nicht sofort beachtet, setzt er sie sofort ein. Er braucht nur wenige Minuten für das von Null auf Hundert, wobei Hundert bedeutet, dass der ganze Hof durch sein Schreien erzittert. Maries Patenonkel sagt dann Schrei nur ein wenig, das macht hart!, aber die Mama ist sensibler. Meist hat Jean sein Ziel nach wenigen Minuten erreicht. Auch Marie setzt gelegentlich ihre Stimme als Kampfmittel ein, verstärkt seit sie von ihrem Bruder die Wirksamkeit lernen konnte. Aber sie wird durch Weinen müde; es dauert normalerweise nur wenige Minuten an und danach kann Marie ins Bett. Jean wird demgegenüber durch Weinen stimuliert. Er kann problemlos mehrere Stunden auf Hundert schreien. Maries Patenonkel hat dies angenähert mal erfahren dürfen. Es war schon spät am Abend, Jean schien müde und wurde ins Bett gebracht. Aber der Besuch war zu interessant, als dass der kleine Jean schon hätte schlafen wollen. Er begann aus vollem Hals zu schreien. Die Mama, durch zahlreiche pädagogische Anmerkungen in Hinblick auf Tyrannei durch Kinder sensibilisiert, schien entschlossen, diesmal den Kampf zu gewinnen. Nach einer halben Stunde, in der eine Unterhaltung mit dem Besuch fast unmöglich war, gab sie auf. Der Kleine durfte wieder an der Gesellschaft teilnehmen und zeigte schnell das gewinnende Lächeln des Siegers.

Auch ansonsten tut Jean alles, den Vorsprung der Schwester möglichst schnell aufzuholen. Essen ist für die ganze Familie extrem wichtig, aber besonders für den kleinen Jean. Trotz zahlreicher Zwischenmahlzeiten setzt der Hunger oft bereits eine halbe Stunde vor der offiziellen Essenszeit ein. Die Zubereitung des Essens wird deshalb häufig von einem ohrenbetäubenden Geschrei begleitet, das man durch Brotkrusten oder Kekse etwas mildern kann. Wenn das Essen schließlich fertig ist, dann isst Jean und isst und isst und isst und ... Maries Patenonkel wird immer an der starken Hans erinnert, der so stark war, dass alles (Gewöhnliche) zerbrach, wenn er es anpackte. Seine Prognosen: Jean wird ein Riese von 2,30 bis 2,60 Meter Größe werden. Obwohl 13 Monate jünger, hat er die Schwester in Bezug auf Größe und Gewicht schon fast eingeholt.

Neben dem Essen hat im Moment das Laufenlernen und Krabbeln Priorität. Jean kann an einer Stütze (Wand, Stuhl, Tisch, Person, ...) allein aufstehen und dann daran entlanglaufen. Eine entfernte Stütze erreicht er durch Krabbeln auf allen Vieren. Es ist darin viel pragmatischer, als Marie es vor einem Jahr war. Ihr schien Krabbeln unter ihrer Würde. Häufig zieht Jean aber das Schreien dem Krabbeln vor, was ihm von Maries Patenonkel ein Hey! Schrei nicht! Streng Dich an! einbringt. Manchmal ist Jean auch daran interessiert, an beweglichen Stützen zu laufen. Gemeint sind damit natürlich die beiden Hände eines Erwachsenen, der mit ihm durch die Gegend läuft. Auch hier wird Schreien eingesetzt, wenn der anvisierte Erwachsene Jeans Wunsch nicht hinreichend schnell versteht. Jean kann Stunden so durch die Gegend laufen... Wie früher Marie, so ist jetzt Jean der Beherrscher des Tisches. Nach den Mahlzeiten der Erwachsenen, an denen Jean selbstverständlich immer teilnimmt und mit denen er seine eigenen Mahlzeiten ergänzt, darf er auf die Eckbank am Tisch. Von dort aus beherrscht er etwa 75 Prozent der Tischfläche. Alles Zerbrechliche oder für Kinder Gefährliche (wie Messer und Gabeln) wird auf den restlichen 25 Prozent in Sicherheit gebracht. Trotzdem gelingt es Jean von Zeit zu Zeit einen Gegenstand von außerhalb seines Einflussbereiches zu erhaschen. Die Erwachsenen haben noch nicht herausgefunden, wieso er das immer wieder schafft.



Marie kommt überwiegend gut mit ihrem Bruder zurecht. Man kann ihn bemuttern (Essen und Trinken geben, Dinge verbieten, mit ihm schimpfen) und ihn in das eigene Spiel einbauen.


Besonders interessant ist es, den kleinen Jean zu transportieren. Am alten Haus passiert das meist auf dem Rutscheauto, am neuen Haus steht dafür ein alter Kinderwagen bereit. Auf dem Bild kann Marie ihren Bruder noch in der leeren Küche spazieren fahren. Wir haben ihr diese Möglichkeiten wenige Tage später verbaut, weil wir die Küche provisorisch aufgestellt haben. Wie man daran sieht, wird das neue Haus bald bezugsfertig sein. Wir rechnen noch mit etwa 2 bis 3 Monaten Arbeit. Die offiziellen Einweihungsfeiern sind für den 14 Juli (natürlich) vorgesehen.


Jean eignet sich auch besonders gut dazu, gebadet zu werden. Marie hat neben dem konventionellen Bad auch das Sandbad für Jean entdeckt. Leider sieht man es auf dem Bild nicht: Die Mama hat die beiden überrascht, wie Marie immer wieder eine Kelle Sand über dem Kopf des kleinen Bruders ausgeleert hat. Zur großen Freude beider Kinder. Obwohl der Sohn jetzt über und über mit Sand bedeckt ist, kann auch die Mama darüber lachen.
Marie darf auch das Wasserbad mit ihrem Bruder teilen, aber die Mama übernimmt dabei die Handhabung von Seife und Shampoo, weil es sehr unwahrscheinlich ist, dass Jean ansonsten auch dieses Bad so lieben würde wie das Sandbad.



Die Familie




Bei den Bildern fällt auf, dass der Papa fehlt. Das ist leicht zu erklären. Er gehört zu den Menschen, die sehr darunter leiden, selbst gesteckte Ziele nicht erreicht zu haben. Er hatte sich vorgenommen, das neue Haus bis Mai bezugsfähig zu machen. Aber, wie wir gelesen haben, fehlen noch 2 bis 3 Monate. Deshalb gab es für ihn nur eine Devise: schaffen, schaffen, schaffen... Nun gibt es einen wichtigen Helfer für frühere und zukünftige Holzarbeiten. Und dieser Helfer hat seinerseits Bedarf an einem Fachmann für Betonarbeiten, womit der Papa sich gut auskennt. Da ist es natürlich selbstverständlich, dass auch ihm geholfen wird. Und natürlich eignet sich dafür die Besuchszeit des Patenonkels, weil dann ein erfahrener Haushaltshelfer zu Hause zur Verfügung steht. Kurz, der Papa war die Hälfte der Zeit 200 km entfernt damit beschäftigt, eine Terasse einzuebnen, und die restliche Zeit am neuen Haus beschäftigt. Vor dem Wegfahren hatte er der Mama noch mitgeteilt, dass es auch für den Patenonkel genügend Arbeiten am neuen Haus gibt, so dass er sich nicht langweilen muss...

Nun, die Mama sieht die termingerechte Erreichung gesteckter Ziele nicht als so wichtig an. Sie hat deshalb die Abwesentheit des Papas nicht dazu genutzt, den Onkel am neuen Haus arbeiten zu lassen, sondern mit ihm und den Kindern Ausflüge und Spaziergänge zu machen. Das sah sie auch als Teil der Gastgeberpflicht an (es hat zudem auch Spaß gemacht), insbesondere weil sie in der anderen Woche 2 Nächte arbeiten musste und ein Wochenende bei einem Tanzseminar war. Ja, für die Mama ist Tanzen viel wichtiger als die Einhaltung eines selbstgesteckten Termins. Jede Woche fährt sie einmal ins 150 km entfernte Lion, um an einem Kurs für israelische Tänze teilzunehmen, und am 18. Juni gibt der Kurs dort eine Vorführung für lokale Größen aus Gesellschaft und Politik. Da muss man viel üben, an Seminaren teilnehmen und sich um Kostüme kümmern. Und sogar die Kinder, die normalerweise absoluten Vorrang haben, müssen ein wenig zurückstecken. Die Mama sieht das aber so nicht, denn da ist ja auch der Papa (und Onkel), der sich mal um die Kinder kümmern kann. Trotz der erwähnten Prioritätsunterschiede scheint die Beziehung in sehr gutem Zustand zu sein, und auch den Kindern geht es offensichtlich gut.



Essen

Ihr habt geglaubt, ich würde dieses wichtige Thema diesmal nur am Rande abhandeln? Nein, angesichts der großen Bedeutung des Essens kann ich das nicht!

Wie das Foto zeigt, kann Marie inzwischen ziemlich zuverlässig mit dem Löffel essen. Auch von der Gabel macht sie schon guten Gebrauch. Aber in der Mehrzahl der Fälle sind die Hände doch noch effizienter. Marie findet beispielsweise überhaupt nichts dabei, die Erdbeeren oder Kirschen in einem Früchte-Quark Nachtisch mit der Hand zu essen und für den Quark den Löffel zu benutzen. Das heißt, oft kommt es auch vor, dass Marie bereits bei den Essensvorbereitungen so viele Früchte gegessen hat, dass sie beim Nachtisch die Früchte (mit der Hand) an den Patenonkel verfüttert und sich selbst mit dem Quark begnügt. Ansonsten benutzt Marie um so eher die Hände, je lieber sie etwas isst, denn dann ist Effizienz umso wichtiger. Dazu gehören vor allem Fleisch, Saucisse, Beeren, Kirschen, Käse, Butter, Eis. Nicht dass Marie andere Dinge nicht essen würde, sie isst eigentlich so ziemlich alles, aber wenn Marie in ihrer Schüssel Getreide, Gemüse und Fleisch hat, dann isst Marie zunächst das Fleisch und sagt dann noch Fleisch; erst wenn es kein Fleisch mehr gibt, geht sie an das übrige. Mama hat deshalb einen kleinen Trick auf Lager (der ohnehin dem französischen Geist deutlich näherkommt): zunächst wird die Schale mit Getreide gefüllt. Die Schale wird so lange nachgefüllt, wie Marie noch oder encore sagt. Im zweiten Gang ist die Schale dann mit Gemüse gefüllt und erst der dritte Gang bringt das Fleisch. Damit das halbwegs gut klappt, beginnt das Essen der Kinder eine halbe Stunde vor dem Essen der Erwachsenen. An diesem Essen nehmen die Kinder dann nochmal teil, indem die Erwachsenen ihnen gute Stücke zustecken. Der Nachtisch wird meist gemeinsam gegessen. Die Kinder bekommen am Nachmittag nochmal was zu essen: Bananen, Äpfel, Zwieback, Kuchen, was grad so verfügbar ist. Da ist doch völlig klar, dass sich die Kinder prächtig entwickeln! Oder?

Und so sieht Marie aus, wenn sie Eis gegessen hat. Eis isst Marie sehr gern. Entsprechend hat sie es mit der Hand gegessen. Man muss ihr zu Gute halten, dass das Eis zu Beginn noch etwas kalt war. Die Mama musste es fast mit einem Hackmesser portionieren; keine Chance, es mit dem Löffel in mundgerechte Stücke zu zerteilen. Normalerweise hätte man ein wenig gewartet, aber obwohl Marie viel geduldiger als ihr Bruder ist, wäre das bei Eis doch zu viel verlangt gewesen. Also hat Marie die handlichen (statt mundlichen) Eisstücke in die Hand genommen und sofort mit dem Essen begonnen. Nach kurzer Zeit begann das Eis in Maries warmen Händen zu schmelzen, sich über ihr Gesicht zu verteilen und auf ihr Lätzchen zu tropfen. Das war aber Maries Freude in keinem Maße abträglich. Ihr erwartungsvolles encore! war zweimal zu hören. Dann hatte Marie für diesen Tag genug Eis gegessen.

Am nächsten Tag gab es Reis (nicht nur, aber auch). Marie geriet in große Euphorie Eis!. Ihr ist nicht aufgefallen, dass am Anfang dieses Wortes ein kleiner aber wichtiger zusätzlicher Buchstabe war. Als dann der Reis in ihrer Schüssel ankam, war sie sehr entäuscht und ungehalten. Die Schüssel wurde weggestoßen, ein verdrießliches Gesicht aufgesetzt und Eis! gefordert. Als das nicht erfolgreich war, hat Marie Weinen als Mittel zur Durchsetzung der eigenen Wünsche ausprobiert. Wie schon erwähnt ist sie darin weniger erfolgreich als ihr Bruder. Sie wurde geschnappt, frisch gemacht und ins Bett gelegt. Nach eineinhalb Stunden Schlaf konnte sie sich dann über ihre Nachmittagsmahlzeit hermachen; ich glaube, einen Berg Früchte. Diese Kinder verhungern sicher nicht, wenn sie mal eine Mahlzeit ausfallen lassen. Allerdings würde ich nie glauben, dass Maries Bruder dies für sich zulassen würde...



Fotos: Mitte Mai 2002
Dieter Maurer
Last modified: Sun Jun 16 16:04:19 CEST 2002