Mein (kleines) Patenkind (Mai 2003)

Marie -- 3 Jahre

Die gewohnte Ausdrucksgalerie...




Ausflüge


Wir sammeln Maiglöcken und Buchenblätter

Der Papa hat zusammen mit dem Nachbarn ein Stück Wald von der Gemeinde gepachtet. Dort decken die beiden Männer ihren Holzbedarf (der Nachbar ist Künstler und fertigt aus Holz alle Arten von Haushaltsgegenständen; der Papa heizt mit Holz). Und wo der Papa den Wald gelichtet hat, da wachsen Tausende von Maiglöckchen, die jetzt wieder Licht und Sonne erhalten. Der Papa hat uns zu seiner tief im Wald versteckten Lichtung mitgenommen und wir beginnen fleißig Maiglöcken zu sammeln.
Marie ist schon mit dem Sammeln fertig. Auf Anraten des Patenonkels hat sie einen großen Strauß Maiglöckchen für die Nachbarin gesammelt. Die Nachbarin hat nämlich eine Katze und die Katze hat ganz kleine Kinder, wenige Tage alt. Das Überreichen der Maiglöckchen ist eine prima Gelegenheit, dabei nach den Katzenkindern zu schauen. Maries Strauß ist jetzt bei der Mama im Rucksack, damit ihre Hande frei sind für weiteres Sammeln.
Obwohl Marie zunächst begeistert von der Geschenkidee für die Nachbarin war, wollte sie die Maiglöckchen zu Hause doch lieber selbst behalten. Tatsächlich benötigt sie für einen Besuch bei der Nachbarin nicht unbedingt einen Strauß Maiglöckchen. Der Papa springt ein und übergibt der Nachbarin dann den von ihm gesammelten Strauß, denn auch er hielt die Geschenkidee für sehr gut.
Hier ist Marie beim Sammeln von Buchenblättern. Ganz junge Buchenblätter, wenige Tage alt, noch ganz weich und hell-grün, kann man nämlich essen. Sie schmecken frisch und leicht säuerlich. Marie isst sie mit Begeisterung. Neben den selbst gesammelten Blättern hilft sie auch dem Patenonkel und der Mama beim Essen. Das ist wichtig, damit sie immer die Hände für weiteres Sammeln frei haben. Der Papa hat einen sehr guten Blick. Er sieht schon von weitem, wo die besten Buchenblätter zu sammeln sind.

Die Mama trägt den Rucksack mit den Blumen (und für Kinder wichtigen Utensilien wie Kekse, Getränke und warme Kleidung; brauchten wir zwar nicht, aber das konnte man ja nicht wissen). Außerdem bewacht sie den kleinen Bruder, der wegen seiner kurzen Beine nur langsam voran kommt. Desshalb muss Marie den Patenonkel immer wieder zum Warten auf die Nachzügler auffordern.

Ein Sonntags-Spaziergang

Es ist wunder-schönes Wetter, es ist Sonntag und auch der Papa kann sich von seiner Arbeit losreißen. Das ruft nach einem Spaziergang. Leider geht es bald einen Hügel hoch. Und dem kleinen Bruder gelingt es ziemlich leicht, seine Mama davon zu überzeugen, dass er müde ist. Die Mama überzeugt dann den Papa, dass der Sohn getragen werden muss.
Diese Beobachtung macht Marie sofort bewusst, dass auch sie sehr sehr müde ist und vom Patenonkel getragen werden muss. Aber der will nicht und läuft voraus. Bald erkennt Marie, dass ihre Zeit noch nicht gekommen ist.

Wir machen Pause. Die Kinder erhalten Essen und Trinken (für die Erwachsenen gibt es das Gleiche).



Wieder gestärkt, schauen die Kinder nach interessanten Aktivitäten. Hier klettert Marie zu dem Patenonkel auf ein Gatter.

Und so sieht das Ergebnis aus.
Marie kann sich von dem Gatter nicht los reißen. Klettern ist einfach so schön! Aber die anderen sind schon weiter gegangen. Sie wird wohl doch bald hinter her gehen müssen.
Der kleine Bruder hat es wieder geschafft! Er muss nicht mehr selbst gehen sondern wird vom Papa getragen, und das obwohl es gar nicht mehr den Berg hoch geht. Nicht ungeschickt, der Kleine...

Und da haben wir die Bescherung. Der Papa ist müde ins Gras gefallen. Den Kleinen kommt das aber gar nicht so schlimm vor. Sie entdecken, dass der Papa auch ein gutes Turngerät ist.

Erlebnispark

Wann immer der Patenonkel zu Besuch kommt, steht an einem Tag eine Fahrt in den ca. 40 km entfernten Erlebnispark mit Zoo auf dem Programm. Leider sind solche Unternehmungen mit einem kleinen Kind mit hohem Schlafbedürfnis (ich spreche natürlich nicht von Marie) nicht leicht zu planen. Gerade wenn man so was vor hat, werden solche Kinder nicht wach. Und da der Mama Schlaf heilig ist, kann man den jungen Mann natürlich nicht wecken. Wir kommen also erst am späten Nachmittag weg und haben nur Zeit für ein einziges Bild. Dem (leicht geizigen) Patenonkel tut das weh, denn der Besuch des Erlebnisparks ist sündhaft teuer.
Marie sitzt hier mit vielen anderen Kindern auf einer Schaukel. Obwohl sie Kinder sehr mag, bereitet ihr die Enge auf der Schaukel noch ein wenig Unbehagen. Doch das wird sich bald legen.

Aperitif

Die Nachbarin ist aktive Umweltschützerin. Ihr Kampf gegen eine benachbarte Verbrennungsanlage, die die Umgebung mit Dioxin eindeckt, wurde im dritten Fernsehprogramm dokumentiert. Die Nachbarin hat ein Video von dem Beitrag, den sie ihren Eltern zeigen möchte. Und da sie keinen Video-Recorder hat, kommt sie mit ihren Eltern zu den Nachbarn. Natürlich laden die Eltern uns zu einem Aperitif ein. Das ist sehr weit verbreitet in dieser Gegend. Jeder läd jeden zu einem Aperitif ein. Die Kinder sind schon im Auto und bald gehts zu dem ca. 20 km entfernten Haus der Eltern der Nachbarin.

Es ist nicht nur ein Aperitif. Es ist ein richtiges Essen, mit Oliven, Erdnüssen, Chips, Flamm-Kuchen, Würstchen, Wein und Bier. Neben uns sind viele Nachbarn und Freunde eingeladen.

Die Nachbarn waren auch sonst überaus nett zu dem Patenonkel. Er wurde noch ein weiteres Mal zum Aperitif eingeladen und zu seinem Abschied wurde ihm zu Ehren ein Fest veranstaltet. Die Nachbarin hat leckere Plätzchen gebacken und der Nachbar hat ihm ein Diplom des besten Onkels mit der Note summa cum laude verliehen. Der Patenonkel weiß das noch nicht ganz einzuordnen. Die Nachbarin wird in Kürze ein Kind bekommen (das Mädchen ist inzwischen geboren. Mutter und Kind geht es gut) und vielleicht benötigen sie noch einen Patenonken? Dann könnte mein kleines Patenkind bald zum mittleren Patenkind aufrücken.



Das erste Fahrrad

Marie hatte vor Kurzem Geburtstag. Natürlich muss der Patenonkel ihr etwas zu diesem Fest schenken. Nach Beratung mit den Eltern und Marie wurde als Geschenk ein Fahrrad ausgewählt.

Hier macht Marie die ersten Schritte mit ihrem Fahrrad. Wie man deutlich sieht, fühlt sie sich noch unsicher. Aber das legt sich schnell. Der kleine Bruder war dabei besonders hilfreich, denn er hat viel weniger Angst. Und als Marie sah, dass ihr kleiner Bruder auf dem Fahrrad gefahren wurde, musste sie dies natürlich auch probieren.


Natürlich ist das Fahrrad jetzt bei fast allen Aktivitäten mit dabei (wenn es auch nicht immer die Haupt-Rolle spielt).

Der Bruder fährt auch sehr gerne Fahrrad. Und manchmal lässt Marie es zu, aber nur unter ihrer Kontrolle.

Beim Abschied des Patenonkels kann das Fahrrad schon zu kleineren Ausflügen mit genommen werden. Marie kann selbst lenken und treten. Leider sind ihre Hände noch etwas kurz, so dass das Bremsen sehr schwer ist und leider noch nicht klappt. Wenn der Patenonkel neben her lief, dann ist Marie richtig schnell davon gedüst. Wie die Mama am Telefon berichtete, ist sie erfreulicher Weise viel vorsichtiger, wenn niemand mit läuft. Das ist sehr gut, denn ansonsten sollte man schon bremsen können.


Spiel-Kameraden


Natürlich ist der kleine Bruder der wichtigste Spiel-Kamerad. Es gibt zwar auch häufiger Streit, weil jeder das selbe Spielzeug exklusiv haben möchte, aber der lässt sich meist relativ schnell schlichten.


Hier ist Marie neben Cladisse, ihrer großen Freundin. Cladisse ist ein ausgesprochen aufgewecktes und aktives Mädchen. In einer Zeitspanne, in der man bei Marie ein Mal "Oh Gott, was tust Du!" ausrufen muss, muss man es bei Cladisse etwa 10 Mal tun. Mal sehen, wer sich wem angleicht...


Fotos und Schnappschüsse

Hier wurde Marie von dem Foto überrascht. Ich denke, es war keine unangenehme Überraschung, denn sie lässt sich gerne fotografieren.
Hier sitzt Marie im Fenster der Dach-Gaupe. Es ist eine der Positionen, die Marie sehr mag und die den Erwachsenen den Angstschweiß austreiben. Für Marie ist es auch nichts Besonderes, wenn die Beine auf der anderen Seite des Fensters baumeln.
Der Bruder hat ein tolles Spielzeug gefunden und Marie hat es ihm abgeluchst, eine Spritze gefüllt mit Wasser. Die Ladung ist eben in Richtung ihres Gesichtes los gegangen. Wie man sieht, war es für Marie ein ausgesprochen angenehmes Erlebnis.

Marie ist wahrhaft kein Morgen-Mensch. Selbst wenn der Patenonkel zu Besuch ist, dauert es morgens oft einige Zeit, bis Marie richtig ansprechbar ist. Aber wenn der Schlafkater schließlich vertrieben ist, ist Marie ein munteres Mädchen.
Der Patenonkel hat Luft-Ballons mitgebracht. Sie können vielfältig zum Spielen verwendet werden. Man kann sie werfen, als Fußball benutzen, sie durch die Wohnung zischen lassen, Quieschgeräusche erzeugen, sie bemalen, zum Kucheln verwenden und sie als wilde Drachen benutzen.
Marie auf dem Markt. Wir haben das obligatorische Buch gekauft. Das wird Marie in den nächsten Tagen fast überall hin begleiten. Nachdem sie ca. 1 Stunde über den Markt geschlendert ist und überall geschaut hat, ist sie jetzt müde und hungrig. Sie setzt sich auf die Straße und isst das frische Brot, das Mama gekauft hat.
Marie geht gleich spazieren und zieht sich selbst die Hausschuhe aus. Sie tut das nicht immer (wenn die Erwachsenen meinen, sie sollte es tun). Andererseits tut sie es oft (wenn die Erwachsenen meinen, sie sollte es nicht tun). Hier stimmen Wunsch von Marie und Wunsch der Erwachsenen mal überein.
Dieses Bild täuscht. Die Sache mit dem Klo klappt noch nicht, oder genauer, eher nur mal zufällig. Marie verschweigt meist, wenn sie muss, und leider auch, wenn sie gemacht hat. Sie weint dann intensiv, weil die Erwachsenen mit ihr böse sind, aber beim nächsten Mal geschieht es doch wieder.


Arbeit



Die Kinder dürfen schon bei der Arbeit helfen. Der Papa hat Kartoffeln gepflanzt und war entsetzt, denn Schwärme von Kartoffelkäfern haben sich auf die jungen Kartoffeltriebe gestürzt. Als konventioneller Landwirt hat es an ein wirksames chemisches Mittel als Antwort gedacht. Aber die Mama ist Natur-Fanatikerin und hat ihn überzeugt, dass man das Problem ohne Chemie lösen muss.Also fährt die Familie bei schönen Wetter zum Kartoffel-Feld und sammelt die Käfer ab. Dabei können schon die Kinder helfen. Die Käfer kommen dann in ein Glas, werden zu Hause verbrannt und aus der Asche wird ein homöopatisches Mittel gegen Kartoffelkäfer gebraut. Der Papa ist ein wenig misstrauisch "mal sehen, ob das funktioniert"...
Anfangs hat das Käfer-Sammeln den Kindern viel Spaß gemacht. Jeder gefundene Käfer war ein Erfolgserlebnis. Die Käfer, einmal gefangen, haben sich tot gestellt. Nachdem sie nach einiger Zeit im Glas aber fest stellten, dass das Tot-Stellen ihre Situation nicht verbessert, sind sie wieder lebendig geworden und wie irre im Glas rum gekrabbelt. Von diesem Zeitpunkt ab hatte Marie die Freude am Käfer-Sammeln verloren. Sie berichtete, "j'ai peur" und hat keinen Käfer mehr angefasst.
Am Rande: ihr Lieblingswort ist nicht mehr "Non!" sondern "j'ai peur". Zum Glück sagt sie es viel seltener als früher "Non!".


Der Papa

Der Papa ist ein sehr fleißiger Mensch, der sich nur selten von der Arbeit los reißen kann. Besonders gern arbeitet er mit Maschinen, Beton-Mischern, Motorpflügen, Kettensägen. Sollte die Arbeit zu Hause ihn nicht voll auslaugen, dass hilft er in seinem weiten Bekannten-Kreis aus. Diese Kreis wird kontinuierlich erweitert, so dass sicher gestellt ist, dass die Arbeit nie aus geht.

Der Papa hat einen Hut für den Schornstein gebaut. Der Patenonkel hat ihn dabei ein wenig unterstützt. Für ihn war es der erste Ausflug auf ein Dach. War schon beeindruckend, so 10 m über festen Boden über ein Dach zu balanzieren.

Der Schornstein-Hut ist weitgehend fertig. Die bis zu 30 kg schweren Naturstein-Platten hat der Papa auf seinen Schultern die Leiter hoch transportiert. Wow! Wir sind beide sehr froh, dass die Monster ihre Zielposition sicher erreicht haben.


Ein Missgeschick

Diesmal wollten die Franzosen den Patenonkel nicht mehr nach Hause fahren lassen. Als er zum Zug hätte fahren müssen, hatten sie den kleinen Ort wegen eines Autorennens komplett abgeriegelt. Zwar waren die Helfer an der Rennstrecke der Meinung, dass sie uns im Prinzip zwischen 2 Rennautos passieren lassen können (es ging um 20 Meter am Anfang der Rennstrecke), aber sie seien nur Helfer und wir müssten mit den Gendarmen darüber reden. Die Gendarmen waren am Anfang des nächsten Orts, ca. 3 km entfernt. Und die waren anderer Meinung. Wir können fahren aber wir dürfen bis 2 Uhr nachts nicht wieder zurück kommen. Etwas lang für zwei Kinder von 2 und 3 Jahren... Außerdem hatte die Mama Nachtdienst und hatte noch keine Arbeitssachen dabei, weil sie von der Sperrung nichts wusste. Also beschlossen wir den Zug aufzugeben, sofort umzudrehen, den Bürgermeister zu fangen und eine Durchfahrterlaubnis zu besorgen. Wir haben dabei leider einen Fehler gemacht. Um besser wenden zu können, sind wir an dem Gendarmen vorbei gefahren. Das hat ihn dazu veranlasst, uns die Rückfahrt zu verweigern. Diskussion half nichts, Aussage der Helfer war uninteressant, Bitte mit der Rennleitung per Handy Kontakt aufzunehmen wurde abgewiesen. Ein Gendarm, der einem preußischen Polizisten aus der Zeit des Großen Kurfürsten alle Ehre gemacht hätte! Wir mussten das Auto abstellen, die Kinder auf den Rücken nehmen und die drei Kilometer bis zum Rennstartpunkt zurück gehen. Die Mama hat dort den Organisator aufgespürt und die Lage geschildert. Seine Antwort: "Kein Problem! Kommen Sie mit mir, wir werden sofort Ihr Auto abholen. Sie können jetzt nach Hause fahren und später mit dem Auto zur Arbeit fahren. Sie müssen sich nur mit den Leuten an der Rennstrecke abstimmen, dass sie Sie zwischen zwei Starts durchlassen."

Auch in Frankreich gibt es bornierte Polizisten, die ihre Macht missbrauchen! Erfreulicher Weise gibt es aber auch hilfsbereite und pragmatische Menschen!

Die Mama konnte später problemlos zur Arbeit fahren und am nächsten Tag hat der Patenonkel auch seinen Zug erreicht.

Zu Hause hat der Patenonkel natürlich einen freundlichen Protestbrief an den Präfekten von Macon geschrieben. Die Information der betroffenen Bürger schien ihm bei diesem Ereignis wesentlich schlechter als bei anderen Sportveranstaltungen im Sport-begeisterten Frankreich. Und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Dorfbewohner schien ihm in keinem Verhältnis zur Verlängerung der Rennstrecke um 20 Meter zu stehen. Nach 10 Wochen hat er auch einen freundlichen Antwortbrief erhalten. Man versicherte, dass die Organisatoren kontinuierlich an einer Verbesserung des Ablaufs arbeiten und dass es regelmäßige Treffen zwischen staatlicher Behörde und den Organisatoren gibt. Beim nächsten Treffen sollten die Klagen des Patenonkels erörtert werden. Hoffen wir, dass die Familie in Zukunft nicht mehr in ihrem Ort eingesperrt wird oder dass zumindest keine "preußischen" Polizisten eine unerwartete Wanderung mit Kindern auf dem Rücken erzwingen.


Dieter Maurer
Last modified: Fri Aug 15 19:33:48 CEST 2003